Kennst du das auch? Du willst schon seit Monaten wieder ins Schreiben kommen, um deine Gedanken, Träume und Herausforderungen innerlich zu ordnen oder Menschen, mit deiner Poesie zu beschenken, aber der Alltag scheint keine Minute herzugeben.

Du denkst seit Jahren immer wieder daran, endlich deinen Geigenkoffer aus der hintersten Ecke des Abstellraumes hervorzuholen und wie es wäre, deine damaligen Lieblingsstücke wieder erklingen zu lassen und dich in den Klängen wohlig zu verlieren. Aber der Tag ist schneller vorbei als dir lieb ist, so dass das gemeinsame Musizieren mit Freunden nur ein Traum bleibt. Dann ist da dieses Fotoalbum, welches du vor einem Jahr angefangen hast, für die Oma zu gestalten, aber noch immer liegen Fotos mit den liebevollsten Familienmomenten im Regal und kleben sich nicht von alleine ein. Deine morgendliche Meditationspraxis ist lediglich als eine vage Erinnerung präsent, an Tage, in denen du dich ausgeglichen, fokussiert und tatkräftig gefühlt hast.

Müssen wirklich nur unseren „inneren Schweinehund“ überwinden, wie der Volksmund so schön sagt?

Warum finden wir kein kraftvolles Momentum, um die Dinge zu tun, nach denen wir uns sehnen und von denen wir doch eigentlich glauben, sie seien uns wichtig? Warum stellen wir uns nach dem Aufwachen auf die Yogamatte, laufen nach der Arbeit unsere Runde im Wald oder Stadtpark, setzen uns am Abend auf unser Medikationskissen, aber nach 5 Tage haben wir unser Commitment, jeden Tag 30 min zu praktizieren, vergessen?

Die Fragen reichen weitaus tiefer als nur bis zu unserem Schatten namens „Schweinehund“. Nein, wir müssen ihn nicht besiegen! Viel sinnvoller ist es dagegen eine Inventur unseres Wertesystems zu machen.

Lass mich dir eine Geschichte erzählen.


Mitte Juni diesen
Jahres kam Johanna, wie jede Woche, für ihre 60-minütige Coaching Session in meine Praxis. Ihr dunkles, lockiges Haar umspielte ihre femininen, weichen Züge an diesem heißem Sommertag, der mit seinen Temperaturen eher an meine Reisen in tropische Gefilde am Äquator erinnerte. Johanna trug, wie an den meisten Tagen ihr strahlendes Lächeln in ihren großen, braunen Augen und versprühte ein herzhaftes Lachen aus der Tiefe einer dankbaren, lebensfrohen Frau.
Wie immer freute ich mich auf unsere gemeinsame Zeit, um ihr einen geschützten Raum zu halten und zu bezeugen, wie sie ihren Träumen näher kam und ihnen von Woche zu Woche mehr Leben einhauchte. Johanna verkörpert das, was ich ideale Klientin nenne – geistig wach, bereit, in den Coaching Sitzungen tief zu gehen und zu Hause neue Einsichten zu integrieren, engagiert, unsere von uns gemeinsam für sie gewählten Übungen zu praktizieren und offen, zu transformieren, was nicht mehr dienlich ist. Und wofür? Um ihre einzigartigen Qualitäten wach zu rufen, ihren individuellen Platz zu finden und die Welt so mitzugestalten, dass sie auch noch für das neue Leben, das gerade in ihr heranwächst, wie auch für unsere Enkel, Urenkel und Ururenkel lebenswert ist.

An diesem sonnigen Donnerstagnachmittag kam sie mit der Frage, warum sie all ihre kreativen Ideen/ Impulse oft nicht umsetzt, obwohl sie doch eigentlich nur so sprudelt vor einzigartigen Ideen.

Ich lud sie ein, ihre tiefsten Werte ans Licht zu bringen. Die Werte sprudelten mit Leichtigkeit aus ihr heraus. Eine liebevolle Partnerschaft leben … sich mit Freunden verbunden fühlen … ein guter Humor, der Leichtigkeit schenkt … Räume schön zu gestalten … Menschen mit ihrer Herzenswärme zu berühren … inneren Frieden zu finden … Die Liste füllte sich und es kamen der neunte und zehnte Wert dazu, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl … der elfte und zwölfte, Reisen und Freiheit … die Liste wurde länger und länger … … gewaltfreie Kommunikation, achtsam mit Ressourcen umzugehen … gutes Essen zu genießen, das nährend ist und unsere Sinne anspricht … Ich fing langsam an, mich zu fragen, wann kommt eigentlich der kreative Ausdruck als Wert? Denn Johanna hatte schön öfter ihrer Sehnsucht, kreativ zu erschaffen und aus all ihren farbenfrohen Ideen auch ihr eignes Business zu entwickeln, Ausdruck verliehen.

Nach einer guten Weile hatten wir eine Liste mit fast zwei Duzend wundervollen Werten bis endlich die Kreativität ihren Platz fand. Ich fing an zu schmunzeln und fragte sie, ob sie eine Idee hätte, warum die Kreativität, deren Bedeutsamkeit sie bisher immer wieder betont hatte, an letzter Stelle kam, währenddessen sie sich eigentlich wünscht, ihre Projektideen umzusetzen und zudem an erster Stelle der Gegenpart von Kreativität stand. Was glaubst du was die Nummer 1 der Werte war??! ………. Gemütlichkeit! Nach einem langen Arbeitstag gemütlich mit einer Tasse Tee, allein, mit dem intimen Partner oder der geliebter Freundin auf dem Sofa zu sitzen, sich auszutauschen, über das Leben zu sinnen, sich anzuschmiegen, zu lachen, zu lesen. Einfach zu SEIN. Nichts zu tun. Wie wundervoll! Was für eine Qualität, insbesondere in einer Gesellschaft, die so sehr auf Tun und sichtbare Ergebnisse ausgerichtet ist. Ein Staunen ging durch ihren ganzen Körper. Gemütlichkeit versus Kreativität. An der Gemütlichkeit ist nichts verkehrt. Nur wird dieser Wert nicht in erster Linie zu kreativem Ausdruck führen.

Kreativität braucht eine aktive Energie, sie bringt uns in den Flow, ins Schaffen.

Für mich persönlich steht kreatives Schaffen an oberster Stelle, sei es durch Malen, Musizieren oder Schreiben. Mich für 3 Stunden auf einem Sofa „festzuhalten“, würde dir nur an einem regnerischen Tag mit den mit liebsten Menschen, der leckersten Rohkosttorte, meinem Lieblingstee und einem zutiefst inspirierenden Gespräch gelingen. Sonst wirst du mich eher im Wald, an der Staffelei oder am Cello finden. Ich sage das ohne Wertung, denn Nichtstun und mich in die Gemütlichkeit sinken zu lassen, ist eine Qualität, die ich durchaus schätze und habe lernen müssen.

Bei Johanna haben wir einen Wertekonflikt ins Bewusstsein gerückt. Wenn Gemütlichkeit unsere Priorität Nummer 1 ist, werden wir nach einem vollen, herausfordernden Arbeitstag, wohl eher nicht den kreativen Fluss als Form der Entspannung wählen.

Wir werden immer nach unseren inneren Werten handeln, egal ob sie uns bewusst oder unbewusst sind.

Das bedeutet zum einen, wir sollten uns, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, zuerst auf eine Erkundungsreise zu unseren Werten begeben und reflektieren, ob wir nach unseren wahren Werten leben. Merken wir, dass unsere Werte unseren Zielen entgegenlaufen, gilt es ggf. Werte neu zu schreiben, Prioritäten neu zu setzen und Strukturen zu etablieren, die uns darin unterstützen, unsere Träume ins Leben zu rufen.

In welchem Bereich spürst du, dass du deinen Träumen zuwiderhandelst?

Wo bleiben Dinge unverwirklicht, obwohl du meinst, sie lägen dir sehr am Herzen? Welche wahren Werten treten ans Licht, wenn du die Idee von „ich soll“ und „ich muss“ loslässt, wenn all die Meinungen der anderen, die jeden Tag von außen auf uns einströmen, gehen lässt? Was bleibt dann noch übrig?

Teile deine Erfahrungen mit uns in den Kommentaren.